Angeregte Podiumsdiskussion auf dem Fachtag Inter.aktion

„Digitalisierung allein ist nicht der Schlüssel zum Erfolg“

26. Juli 2023

Neue Impulse und andere Perspektiven: Bei der Inter.Aktion 2023 diskutierten 100 Vertreterinnen und Vertreter von Science Centern, Museen und Forschungseinrichtungen über soziale Interaktionen in und durch Ausstellungen. Drei Tage lang drehte es sich bei der Fachtagung der experimenta etwa um die Chancen digitaler Technologien oder der Frage, was man aus Spielen lernen kann.

Dr. Claudia Gorr aus dem experimenta-Ausstellungsteam hat die Inter.Aktion gemeinsam mit Laura Kuhn federführend geplant und begleitet. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen sowie Trends in der Ausstellungkonzeption und verrät, was ihre persönlichen Highlights der Tagung waren.

Was sind aktuelle Herausforderungen für interaktive Formate der Wissenschaftsvermittlung?

Aspekte unserer Gegenwart sind oft komplex und unterliegen schnellen Veränderungen. Das führt bei vielen zu einer großen Unsicherheit. Das zeigt sich zum Beispiel beim Thema Klima, bei Pandemien oder wenn wir über Künstliche Intelligenz sprechen. Die Kommunikation über Wissenschaft wird damit einerseits wichtiger, andererseits herausfordernder. Gerade bei sehr abstrakten Sachverhalten bieten digitale Ausstellungserfahrungen einen Mehrwert, da sie z.B. Dinge gut visualisieren oder einen direkten, emotionalen Zugang ermöglichen können. Aber allein mehr Digitalisierung ist sicher nicht der Schlüssel zum Erfolg.

Sondern?

Die Inter.Aktion hat besonders die menschliche Interaktion in und durch Ausstellungen fokussiert. In den Vorträgen und Projektvorstellungen zeigte sich, dass schon ein direktes und offenes Gespräch mit und zwischen Besuchenden wirksam sein kann, um komplexe Zusammenhänge und Unsicherheit aufs Tableau zu bringen. Wenn wir das als Institution wirklich ernstnehmen, heißt das aber auch, dass wir uns künftig mit provokanten oder wissenschaftsfernen Argumenten auseinandersetzen, verschiedene Perspektiven moderieren und berücksichtigen müssen.

In einem Redebeitrag klang an, dass Museen und Science Center in unserer Gesellschaft zwar als äußerst vertrauenswürdige Institutionen gelten. Dieser Vertrauensvorschuss ist allerdings der Wahrnehmung von Museen als historisch gewachsene Orte, die verlässliches Wissen präsentieren, geschuldet. Ich habe mich gefragt, was passiert jetzt mit dem Vertrauen, wenn wir zugeben: Wir wissen auch nicht alles, vieles ist instabil und veränderbar?

Zeichnen sich auch technologische Trends ab, die künftig eine größere Rolle spielen werden?

In Ausstellungen bedeutet Interaktion schon länger nicht mehr, nur Knöpfe zu drücken oder Schubladen zu öffnen. Ein aktuelles Verständnis geht eher von einer zweiseitigen und ergebnisoffenen Kommunikation aus – etwa zwischen den Besuchenden und dem Exponat oder zwischen den Besuchenden untereinander. Möglicherweise wird KI in diesem Zusammenhang eine größere Rolle spielen. Im Sinne von Partizipation könnten z.B. Erfahrungen und Ideen von Besuchenden in Algorithmen einfließen, die wiederum das, was man in der Ausstellung wahrnimmt und erlebt, direkt beeinflussen.

Was waren deine Highlights bei der Inter.Aktion?

Für mich waren insbesondere die beiden Keynotes inspirierend. BIOTOPIA-Gründungsdirektor Michael Gorman stellte die provokante These auf, dass die Zeit der interaktiven Exponate vorbei ist, ebenso der Grundsatz „Wissenschaft ist wahr“. Seiner Auffassung nach sind moderne Zentren der Wissenschaftsvermittlung offene, weitgehend hierarchielose, partizipative Orte, an denen einfach alle verschiedene Erfahrungen und Kompetenzen einbringen und ständig gemeinsam an Neuem forschen und Dinge entwickeln. Dabei lernen alle Beteiligten auf gleicher Ebene voneinander – Forschende, Besuchende, Kunstschaffende und Ausstellungsmacher/-innen zum Beispiel.

Und Lori Fogarty und Johanna Jones machten in ihrer digitalen Keynote deutlich, wie der soziale Aspekt vom Oakland Museum of California als absolute Basis begriffen wird. Es gibt quasi keine Ausstellung, keine Budgetplanung und keine Mitarbeiterfortbildung, die nicht zum Zusammenhalt der städtischen Gemeinschaft und sozialer Inklusion beiträgt. In der Folge hat das OMCA einen beeindruckenden Anteil von mehr als70 Prozent Wiederholungsbesucherinnen und -besuchern. Außerdem machen Indigene und People of Color die Hälfte des Publikums aus.